@ Tiefenrausch
Hallo Tiefenrausch,
natürlich ist der Gema-Tarif nicht explizit für Urheberrechtsverletzungen im Internet geschaffen worden. Juristen helfen sich in solchen Fällen aber ganz gerne mit Analogien.
Nachfolgend ein paar Hinweise aus Kommentarliteratur und Rechtsprechung.
Wenn Du daraus zukünftig etwas verwenden willst, dann sei Dir das hiermit ausdrücklich gestattet. Ich gebe an diesem Text hiermit mein Urheberrecht auf
Gruß
Q-Treiber
Im Falle einer Urheberrechtsverletzung ist gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass der Verletzte seinen Schaden im Wege der Lizenzanalogie berechnen kann.
Das Gericht hat die zu zahlende Lizenz gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände zu bemessen.
Soweit vorhanden ist für die Bemessung der Höhe der Lizenz von für die Branche übliche Honorarordnungen, Tarife, Regelwerke, Verbandsempfehlungen oder ähnlichen abstrakt-generellen (Erfahrungs)Werte auszugehen (vgl. BGH, GRUR 1983, 565 [566] - Tarifüberprüfung II; Fromm/Nordemann, UrhG, § 97 Rdnr. 40 m.w. Nachw.).
Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Höhe einer fiktiven Lizenz bilden die Tarifwerke der Verwertungsgesellschaften, soweit sie in der betroffenen Branche die übliche Vergütung darstellen (BGH GRUR 1966, 570, 572 – Eisrevue III).
Das OLG Frankfurt hat es in einem parallel gelagerten Fall, in dem ebenfalls ein Rechtsanwalt urheberrechtswidrig Inhalte eines Berufskollegen kopiert und im Internet veröffentlicht hatte, für angemessen erachtet, als Grundlage für die Berechnung der Lizenzgebühr auf die einschlägigen Vergütungssätze VR-W 2 für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires im Internet zurückzugreifen (OLG Frankfurt, Urteil vom 04.05.2004, Az.: 11 U 6/02 und 11 U 11/03).
Gemäß Ziffer III. der vorgenannten GEMA-Vergütungssätze VR-W 2 (für das Gericht als Kopie anbei) beträgt die Vergütung je Werk aus dem GEMA-Repertoire Euro 50,00 pro Monat.
Diese GEMA-Vergütungssätze wurden von dem OLG Frankfurt in dem entschiedenen Fall mit einem Aufschlag von 100% versehen.
Die Vergütungssätze der GEMA sind dabei immer nur ein Anhaltspunkt für die Höhe der fiktiven Lizenz. Es ist in jedem Fall bei Bemessung einer angemessenen Lizenz auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Auch die GEMA-Vergütungssätze sind bei der Bemessung einer fiktiven Lizenz niemals bindend, sondern auf ihre Angemessenheit für den konkreten Fall zu überprüfen (BGH GRUR 1983, 565, 566 - Tarifüberprüfung II).
Eben diese Angemessenheitsprüfung veranlasste das OLG Frankfurt in dem vor bezeichneten parallel gelagerten Fall mit Urteil vom 04.05.2004 für die urheberrechtswidrige Nutzung juristischer Fachbeiträge eine fiktive monatliche Lizenzgebühr in Höhe von Euro 100,00 anzunehmen. Mit diesem Urteil folgte das OLG Frankfurt im Übrigen der Vorinstanz des LG Frankfurt, das mit Urteil vom 19.12.2001 ebenfalls von einer monatlichen Lizenzgebühr in Höhe von Euro 100,00 ausgegangen war.
Auch der BGH hat im Übrigen bei Urheberrechtsverletzungen geurteilt, dass Umstände auftreten können, die die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr beeinflussen und nicht mit der Lizenzgebühr überein zu stimmen brauchen, die bei einem – fiktiven – Vertragsabschluss vereinbart worden wäre (BGHZ 59, 286, 292). Andere Gerichte schlagen ebenfalls einen Zuschlag von 100% pauschaliert auf die Lizenzgebühr auf, weil eine Verletzung von Urheberpersönlichkeitsrechten – bspw. wegen fehlender Namensnennung – vorliegt (LG Düsseldorf GRUR 1993, 664, 665; LG München I ZUM-RD 1997, 249, 254).
Der GEMA-Vergütungssatz VR-W 2 trifft dem Grunde nach auch auf den vorliegenden Fall zu. Dieser Vergütungssatz gilt für die „Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires in Websites mit Electronic Commerce“.
Unter „Electronic Commerce“ versteht man gemeinhin den „elektronischen Austausch von Informationen, Gütern, Dienstleistungen und Zahlungsanweisungen mit gewerblichen oder privaten Kunden in elektronischen Netzwerken (Internet, Online-Dienste).“
In diesem Sinne betreibt der Beklagte selbstverständlich mit der Internetseite seiner Kanzlei „Electronic Commerce“.
Es ist unzutreffend, dass der vom OLG Frankfurt in dem zitierten und parallel gelagerten Fall zur Bemessung des Schadensersatzes herangezogene GEMA- Vergütungssatz VR-W 2 lediglich Musik-Downloads im Rahmen des E-Commerce betrifft.
Zutreffend ist vielmehr, dass in diesem Vergütungssatz zwischen Electronic-Commerce mit Musikwerken (Ziffer II.) und sonstigen Electronic-Commerce Angeboten (Ziffer III.) unterschieden wird. Die Vergütungen des GEMA-Tarifes gelten gem Ziff III. 1. „für Websites, mit welchen Electronic-Commerce betrieben wird, wobei Geschäftsgegenstand das Angebot von Waren und Dienstleistungen aller Art ist“.
Zur Anwendbarkeit des zitierten GEMA-Vergütungssatzes wurde bereits mit Schriftsatz vom 04. August 2005 vorgetragen. Entgegen den Bedenken des erkennenden Gerichts betrifft das Tarifwerk nicht nur Musik-Downloads, sondern gemäß Abschnitt III ausdrücklich auch „sonstige Electronic-Commerce Angebote“.
Der Anwendungsbereich des Vergütungssatzes VR W-2 wird unter Ziffer III. wie folgt definiert:
„Die Vergütungen dieses Abschnitts gelten für Websites, mit welchen Electronic-Commerce betrieben wird, wobei Geschäftsgegenstand das Angebot von Waren und Dienstleistungen aller Art ist, mit Ausnahme von Waren und Dienstleistungen gem. Abschnitt II.“
In dem Abschnitt II des Vergütungssatzes geht es tatsächlich um Websites mit Musiknutzung. Daraus folgt jedoch, dass unter Abschnitt III die Vergütung für Websites geregelt ist, die mit dem Austausch von Musik-Dateien nichts zu tun haben. Sollte der Vergütungssatz VR W-2 ausschließlich Musik-Downloads betreffen, wäre der Abschnitt III überflüssig.
Entsprechend wurde der von dem Kläger zitierte Vergütungstarif auch sowohl von dem Landgericht Frankfurt als auch von dem OLG Frankfurt in den genannten Entscheidungen als für raubkopierte Internettexte einschlägig angesehen.
Weiter wird rein vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Frage, ob für eine bestimmte Nutzungsart (hier die Veröffentlichung von Texten auf einer Kanzlei-Homepage im Internet) ein entsprechender Tarif vorliegt, eine dem Sachverständigenbeweis zugängliche Tatfrage ist (BVerfG NJW 2003, 1655).
Aber selbst wenn – wie nicht – für die vom Beklagten vorgenommene urheberrechtswidrige Nutzung kein unmittelbar anwendbares Tarifwerk vorliegen würde, so kann und muss nach der Rechtsprechung des BGH auf das Tarifwerk zurückgegriffen werden, das nach seinen Merkmalen der im Einzelfall vorliegenden Art und Weise und dem Umfang der Nutzung möglichst nahe kommt (BGH GRUR 1983, 565, 566 Tarifüberprüfung II).
Der Kläger als Urheber der in Frage stehenden erbrechtlichen Artikel hat das ausschließliche Recht, darüber zu entscheiden, ob und wie sein Werk veröffentlicht werden darf. Dem Kläger ist auch das Recht der öffentlichen Wiedergabe, der Verbreitung, Vervielfältigung, ob im Internet oder in sonstiger Weise, vorbehalten.
Gegen diese Rechte des Klägers hat der Beklagte unstreitig verstoßen und schuldet hierfür den geldwerten Vorteil der Nutzung. Diese Bestimmung entspricht dem Grundgedanken des Urheberrechts, dass der Urheber angemessen am wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen ist.
Dabei ist es im Rahmen der Berechnung des Anspruchs im Wege der Lizenzanalogie vollkommen unerheblich, oder dem Kläger tatsächlich ein konkreter Schaden entstanden ist (BGH GRUR 1987, 37 – Videolizenzvertrag) oder der Beklagte als Urheberrechtsverletzter durch die Nutzung tatsächlich einen Gewinn erzielt hat (Wandtke/Bullinger – v. Wolff § 97 Rdnr. 66).
Die Schadensberechnung nach der angemessenen Lizenzgebühr führt vielmehr regelmäßig dazu, dass die Tarifvergütung zugrunde zulegen ist, die der Urheberrechtsverletzer bei ordnungsgemäßer Einholung der Erlaubnis des Klägers hätte entrichten müssen (BGH NJW-RR 1988, 829).
Bei der Frage, welche Vergütung im Einzelfall als angemessene Vergütung geschuldet ist, ist auf bestehende Tarifwerke, z.B. die Tarife der Verwertungsgesellschaften Bezug zu nehmen (Dreier/Schulze - Dreier, § 97 Rdnr. 63). Diese Tarifwerke dienen als konkrete Richtlinien (Möhring/Nicolini – Lütje, § 97 Rdnr. 193) .
Grundsätzlich kann angenommen werden, dass die von der GEMA aufgestellten Tarife angemessen sind, da die GEMA auch in ihrer Tarifbetätigung der Staatsaufsicht unterliegt, § 18 WahrnG, (Möhring/Nicolini – Lütje, a.a.O.).